Einer der spannendsten Vorträge, den ich in den letzten Jahren gehört habe, war von dem norwegischen TV-Producer Thomas Hellum, der Slow TV macht.

Der Producer von NRK, der Slow TV entwickelt hat. Wir sehen die kleine Schnecke als sein Markenzeichen und das Zeichen der Slow-Bewegung.
In seiner Präsentation zeigte er Ausschnitte einer Live-Übertragung – und zwar von Bord eines Kreuzfahrtschiffes, das die Hurtigrute entlang fährt. Dieses Event wurde in Norwegen zum größten Fernsehereignis und hievte das dritte öffentliche Programm, das sonst nur Dokumentarfilme zeigt, in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. In der Spitze holte das Live-Programm knapp 80% Marktanteil – nämlich als die Königin von Norwegen das Boot der Hurtigruten und damit die Live-Übertragung kreuzte.
Hier ein fünf Minuten Zusammenschnitt des Programms: https://www.youtube.com/watch?v=EXKATEeB64U
Mittlerweile ist der Medienhype um diesen überraschenden Erfolg zwar vorbei. Aber Thomas und sein Team haben ihren Stil verfeinert und feiern weiterhin Riesenerfolge – mit neuen Themen. In einem Skypegespräch erzählt er mir, dass gerade ein 150 stündiges Programm im norwegischen Fernsehen gelaufen ist.
Dafür hat ein großes TV-Team eine Herde von Rentieren bei ihrem Zug vom Süden in den Norden begleitet haben. „Das ist zu 98% gut gelaufen. Nur am Ende wurde das Wetter so schlecht, dass die Rentiere nicht durch das Wasser geschwommen sind. Um die letzte Insel zu erreichen, haben wir die Tiere mit Booten übergesetzt – und dafür die Live-Übertragung abgebrochen.“.
Das Programm war auch diesmal eine emotionales und kulturelles Spektakel, das von vielen Medien positiv begleitet und kommentiert wurde.
Diesen Sommer planen die Norweger ein Programm mit dem Namen “Summer Train”. In 8 Wochen besuchen sie 40 Städte und 100 Gemeinden. Dazu haben sie sich einen eigenen Zug gemietet, mit dem sie täglich unterwegs sind. Sie erzählen die Orte, sie filmen die verbindenden Bahnstrecken und abends machen sie mit ihren mobilen Bühnen große Shows vor Ort. So geben sie als öffentlich-rechtlicher Sender ihren Zuschauern und Gebührenzahlern etwas zurück: wertvolle Werte und eine Identität.
Während der acht Wochen erleben die Zuschauer Orte, Reisen, Bilder, Konzerte und Geschichten. Auch auf dem Second Screen passiert viel. Es wird Landkarten geben, Chaträume und Playlists mit einheimischer Musik wird veröffentlicht. Und auf Twitter wird alles gezeigt, was gerade los ist.
Für sein Verständnis und die Weiterentwicklung von Slow TV sind für Thomas Hellum folgende Punkte essentiell.
Die vier Regeln für Slow TV
1. It’s for big screen – lineares TV.
Slow TV wird mit HD-Kameras gedreht. Es werden die besten Aussichtspunkte gesucht und Drohnen eingesetzt. Bei Sonnenaufgang und –untergang werden spektakuläre Bilder eingefangen. Von der Bildqualität ist Slow TV durchaus mit den Olympischen Spielen vergleichbar. Es ist wichtig, alles technisch zu durchdenken und es richtig gut zu machen.
2. Unbroken Timeline – no Cutaways.
Die Menschen wollen Ereignisse unterbrochen erleben. Mit allen spannenden und langweiligen Momenten. Das ist authentisch und so lieben es die Zuschauer. Also nicht nur Highlight Schnitte.
3. Prime Time senden
Dänemark räumte einen Sendeplatz am Sonntagvormittag frei und scheiterte massiv. Denn die Zuschauer nahmen das Programm nicht an, weil der Sendeplatz signalisierte: das Programm ist uns nicht wichtig. Aber man muss genau den anderen weg gehen und der Zuschauern die Relevanz durch einen Topsendeplatz suggerieren.
4. Something worth telling
Nicht den schmelzenden Eisberg live übertragen, sondern etwas, das wirklich wichtig für die Menschen und ihre Heimat ist
Thomas schickte mir nach unserem Gespräch noch einen – leider noch nicht öffentlichen – Link dazu auf seinen Vimeo Account. . Der 8 minütige Clip hat mir den Atem geraubt – so schön sind die Bilder und Momente.
Wer mehr über Slow TV und Storytelling erfahren will, den lade ich herzlich ein, an unserer Storytelling Masterclass am 24. und 25. Juli in Köln teilzunehmen. http://www.storytellingmasterclass.de/. Oder besucht die Lokalrundfunktage in Nürnberg am 4. und 5. Juli, wo ich moderieren werde. Mehr dazu auf www.lokalrundfunktage.de
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